Der Bestand
Die Projekt-Musikalien sind in einem Zeitraum von etwa 1700 bis 1780 entstanden. Sie umfassen an die 2.200 Handschriften und 95 Musikdrucke. Die Noten sind hauptsächlich in Partiturform überliefert, ein Achtel der Bestände liegt in Form von Stimmen vor. Heute wird der Großteil der Musikalien in der SLUB aufbewahrt. Darüber hinaus konnten 150 in weiteren deutschen und ausländischen Bibliotheken liegende Manuskripte ermittelt werden. In den auf der Basis historischer Inventare ermittelten Beständen sind einige Lücken zu verzeichnen, die vor allem auf im Zweiten Weltkrieg entstandene Verluste beziehungsweise Verlagerungen zurückgehen.
Die Projekt-Materialien teilen sich in zwei Bestände, die sich in ihren inhaltlichen Schwerpunkten und ihrer Sammlungsgeschichte voneinander unterscheiden: den Grundstock der Königlichen Privat-Musikaliensammlung und die Notenbestände der katholischen Hofkirche. Für den ersteren wurden rund 1.560, für die letzteren an die 740 Quellen eruiert und bearbeitet.
Die Königliche Privat-Musikaliensammlung (KPMS)
Der KPMS-Projektbestand setzt sich aus der gemeinsamen Sammlung von Kurfürst Friedrich August II. und seiner Gemahlin Maria Josepha sowie aus der Kollektion Maria Antonia Walpurgis’ zusammen. Diese Sammlungen, die schon zu Lebzeiten in speziellen Katalogen dokumentiert wurden, spiegeln vor allem den musikalischen Geschmack ihrer kunstsinnigen Eigentümer wider.
Im Unterschied zu August dem Starken, der die französische Musik favorisierte, hegte sein Sohn, Friedrich August II. (1696–1763), eine ausgeprägte Vorliebe für die italienische Musik. Schon als junger Kronprinz zog er den venezianischen Komponisten Antonio Lotti an den Dresdner Hof, wo dieser anlässlich der Heirat Friedrich Augusts mit Maria Josepha unter anderem die Festoper „Teofane“ komponierte. Nach dem Tod Augusts des Starken 1733 holte Friedrich August (nun August III.) schließlich Johann Adolph Hasse als Ersten Kapellmeister nach Dresden, welcher bis 1763 durch zahlreiche Werke viel zur sächsisch-polnischen Hofkultur beitrug. Die habsburgische Erzherzogin Maria Josepha (1699–1757), Tochter Kaiser Josephs I., kam 1719 an den Dresdner Hof. Speziell von ihrer Seite her stammt unter anderem eine Reihe von Partituren aus dem Umfeld des Wiener Kaiserhofs, welche der Habsburgerin 1743 aus dem Erbe ihrer Mutter, der Kaiserinwitwe Wilhelmine Amalie, zuflossen.
Eine besonders engagierte Mäzenin und Sammlerin von Musikalien war Maria Antonia Walpurgis (1724–1780), Tochter Kaiser Karls VII. und Schwester des regierenden Kurfürsten Maximilian III. Joseph von Bayern, die 1747 mit Kurprinz Friedrich Christian die Ehe einging. Die als Sängerin und Komponistin ausgebildete Wittelsbacher Prinzessin führte bereits in ihrem „Hochzeitsgepäck“ eine umfangreiche Sammlung mit Arien der aktuellsten zeitgenössischen Opernproduktionen mit. Diesen Bestand ergänzte sie bis zum Ende ihres Lebens um bedeutende Partituren, darunter Opern und Oratorien von Johann Adolph Hasse und Christoph Willibald Gluck, wie auch Werke der jüngeren Dresdner Komponistengeneration, z. B. von Johann Gottlieb Naumann und Johann Georg Schürer. In die Sammlung von Maria Antonia sind auch einige Musikalien aus dem Besitz Friedrich Christians (1722–1763) eingegangen, die dieser hauptsächlich während seiner Kavaliersreise von 1738 bis 1740 in Italien erwarb.
Die Königliche Privat-Musiksammlung, die neben weltlichen und geistlichen Vokalwerken auch Instrumentalmusik enthielt, ging 1896 in der Königlichen Öffentlichen Bibliothek auf, der wichtigsten Vorgängerinstitution der SLUB.
Die Notenbestände der katholischen Hofkirche
Mit der Konversion Augusts des Starken zum Katholizismus im Jahr 1697 entstand das Desiderat eines neuen katholischen Kirchenmusik-Repertoires für den Dresdner Hof. Nach einer ersten Phase zögerlichen Vortastens gewannen die gottesdienstlichen Kirchenmusikaufführungen ab 1721 an Regelmäßigkeit, was wohl vor allem dem Einfluss der Habsburgerin Maria Josepha zuzuschreiben ist. Es entwickelte sich ein an Gattungen und Stilen vielfältiges Repertoire für alle in Dresden gepflegten ordentlichen und außerordentlichen Gottesdienste des katholischen Kirchenjahrs.
Einen bedeutenden Anteil der Sammlung bilden die autograph überlieferten Werke der für die Kirchenmusik zuständigen Hofmusiker Jan Dismas Zelenka und Johann David Heinichen. Zelenka und Heinichen sowie der „Kirchen-Compositeur“ Giovanni Alberto Ristori brachten daneben ein jeweils eigenes Repertoire mit geistlichen Werken italienischer, böhmischer und Wiener Komponisten ein, das sie teilweise auf charakteristische Art für die Dresdner Aufführungspraxis bearbeiteten. Bei den überlieferten Quellen, vor allem der italienischen Kirchenmusik, handelt es sich oft um wertvolle unikale Manuskripte.
Am Ende des Siebenjährigen Krieges wurden zwei sorgfältige Inventarisierungen der Notenbestände vorgenommen. Von Ausnahmen abgesehen, verblieben diese bis 1907 in der katholischen Hofkirche. Ab 1908 gelangten die Musikalien schließlich über die Vorgängerinstitutionen Königliche Öffentliche Bibliothek und/oder Sächsische Landesbibliothek in die heutige SLUB.